Schiffstaufen – „… und eine Handbreit Wasser unter’m Kiel!“
„Allzeit gute Fahrt und eine Handbreit Wasser unter’m Kiel!“ Ist die Sektflasche am Schiffsbug zerschellt, darf man auf Neptuns Gunst hoffen. Mit Segenswunsch und glücksbringenden Scherben allein ist es bei der Schiffstaufe allerdings nicht getan.
Wer hat’s erfunden?
Die Schweizer waren‘s nicht, so viel steht fest. Tatsächlich hat die Schiffstaufe eine lange Tradition. So war es bei den Seefahrern im alten Griechenland üblich, ein neues Schiff vom Baumeister segnen zu lassen, bevor es in See stach. Die Wikinger dagegen setzten auf Menschenopfer, um die Meeresgewalten auf ihre Seite zu bringen. Aus heutiger Sicht natürlich barbarisch – viel lieber ist uns da die Sitte, eine edle Flasche zu zertrümmern. Zurückverfolgen lässt sich dieses Ritual bis ins späte 18. Jahrhundert. Aus dieser Zeit ist die Geschichte einer Prinzessin aus dem Hause Hannover dokumentiert, die mit ihrem Flaschenwurf den maritimen Täufling allerdings komplett verfehlte – und stattdessen einen Zuschauer traf. Dieser wurde so schwer verletzt, dass er auf Schadenersatz klagte. Ein solcher Unfall könnte heute nicht mehr passieren: Bei einer Schiffstaufe, wie wir sie kennen, wird die Flasche nicht mehr frei geworfen, sondern hängt an einem Seil oder befindet sich in einer Halterung, die von der Taufpatin aus sicherem Abstand gelöst wird.
Frauen bevorzugt!
Wenn ein Kreuzfahrtschiff getauft wird, ist das ein Riesenereignis mit großer Show, Feuerwerk und zahlreichen Gästen. Weniger bekannt ist: Vor diesem Event findet bereits beim ersten Aufschwimmen im Baudock eine kleine Taufzeremonie für Werftarbeiter und Besatzung statt. Das verlangt die Tradition. Und wer wollte schon damit brechen und riskieren, dass etwas schiefläuft mit der Gunst des Meeresgottes? Als Taufpaten wählen die Reedereien meist eine Frau – selbst Queen Elizabeth II. gab sich hier schon die Ehre. Aber auch ein Mann oder sogar eine Gruppe von Personen – zum Beispiel eine Familie – können im Zeitalter der Emanzipation das Patenamt antreten. Besonders beliebt sind dabei Promis oder Menschen, die sich durch ihr soziales Engagement hervorgetan haben. Den Schiffstaufrekord hält übrigens Sophia Loren. Kein Wunder: Immerhin ist die legendäre Filmdiva und zweifache Oscar-Gewinnerin am Golf von Neapel aufgewachsen, dürfte die Seefahrt also in den Genen haben.
Darf’s ein bisschen mehr sein?
Ist das Schiff groß, darf auch die bei der Taufe verwendete Flasche gern Format beweisen. So fertigte das renommierte Champagnerhaus Taittinger für den Stapellauf der MS Sovereign of the Seas im Jahre 1987 eigens acht Souverain-Flaschen an, die jeweils 26,25 Liter Champagner fassten. Zum Vergleich: In die Imperial, also eine normale Champagnerflasche, passen 0,75 Liter. Eine der Souverains ließ die ehemalige First Lady Rosalynn Carter am Bug des Ozeanriesen zerschellen, die weiteren sieben Flaschen dienten der Dekoration. Üblicherweise kommt bei einer Schiffstaufe allerdings keine Souverain zum Einsatz, sondern eine Magnum (anderthalb Liter), eine Doppelmagnum oder Jeroboam (drei Liter) oder eine Rehoboam, die es auf immerhin viereinhalb Liter sanft perlenden Genuss bringt.
Auf Nummer Sicher gehen …
Ob Sekt, Champagner, Wein oder ein anderes kostbares Nass – die Flasche muss in Scherben zerspringen, damit das Schiff wirksam getauft ist. Außerdem wichtig: Der Korken darf sich nicht lösen, sondern sollte im Flaschenhals stecken bleiben. Damit ist es allerdings nicht getan, denn um das Ritual der Schiffstaufe ranken sich diverse Mythen, die je nach Kulturkreis auch noch variieren. So darf die Taufpatin in manchen Ländern keine roten Haare haben – vielleicht, weil ihre Frisur zu sehr an den Klabautermann erinnert? Das grüne Outfit bleibt bei einer Schiffstaufe am besten im Schrank, zumindest in Großbritannien. In Frankreich dagegen darf die Taufpatin nicht schwanger sein. Und generell sollte sie weder Kaninchen noch Hasen erwähnen, denn das lockt Probleme aufs Schiff. Werden all diese Regeln beachtet, kann nichts mehr schiefgehen – natürlich nur, wenn die Taufe nicht an einem Freitag stattfindet.
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Aufmacher © Phoenix Reisen
Schiffstaufe © TUI Cruises